D) DIE ELEKTROTHERAPIE

1. Die besondere Bedeutung

Da viele Prozesse im Organismus unter der Erzeugung und Einwirkung kleiner elektrischer Ströme ablaufen, können die im Rahmen der Elektrotherapie von außen angelegten Ströme ebenfalls direkt und ohne Energieumwandlung Nerven- und Muskelzellen beeinflussen.

Nur die Behandlungsmethode ist am effektivsten, die sich den körpereigenen Gegebenheiten am besten anpaßt. Nur bei der Elektrotherapie besteht diese Möglichkeit in vollem Umfang.

Die Elektrotherapie hat den größten Wirkungsgrad.

2. Die Bedingungen für einen elektrischen Strom im Körper

Der Körper besteht zum größten Teil aus Wasser, in dem Salze, Säuren und Laugen (Basen) gelöst sind. Das beispielsweise in hoher Konzentration im Körper vorkommende und allen bekannte Kochsalz oder Natriumchlorid (NaCl) liegt nur gespalten in Form von Natriumionen (Na+) und Chloridionen (Cl-) vor. Ionen werden auch als Ladungsträger bezeichnet. Die Gewebsflüssigkeit, eine Lösung aus den verschiedensten Stoffen, bezeichnen wir als Elektrolyt. Sie ist wie jeder andere technische Elektrolyt elektrisch leitend und wird als Leiter II. Ordnung bezeichnet.

Legen wir über Hautkontaktelektroden die Spannung beispielsweise einer Batterie an einen Körper an, so herrscht im Körper zwischen den beiden Hautkontaktpunkten ein elektrisches Kraftfeld. Dieses elektrische Feld ist dazu in der Lage, mit unsichtbaren Kräften elektrisch geladene Stoffe (Ladungsträger bzw. Ionen) im Gewebe zu verschieben. Während sich das elektrische Feld mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, ist die Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen mit maximal einigen Millimetern pro Sekunde vergleichsweise gering.

Da sich Gegensätze bekanntlich anziehen, bewegen sich beispielsweise die positiv geladenen Natriumionen (Na+) durch Abstoßung von der positiven Elektrode und Anziehung durch die negative Elektrode im Gewebe vom +Pol zum -Pol. Alle negativen Ladungsträger bewegen sich in der genau entgegengesetzten Richtung. In einem Leiter II. Ordnung gibt es also stets einen Ladungsgegenverkehr.

Im Vergleich dazu bewegen sich die Elektronen e- beim Stromfluß in einem Metall(draht) nur vom -Pol (Ladungsüberschuß) zum +Pol (Ladungsmangel), da sie immer negativ geladen sind. Abbildung 1 stellt die Einzelströme dar.

Abbildung 1

3. Die im Gewebe hervorgerufenen Veränderungen

In Ruhe befinden sich die chemisch-physikalischen Prozesse in allen Geweben im Gleichgewicht. Bei Anlegen einer Spannung an den Körper werden die Ionen, die sich sonst im Gleichgewicht befinden, verschoben. Die Folge sind Konzentrationsänderungen, die sich an den empfindlichen, elektrisch aktiven Membranen der Nerven- und Muskelzellen besonders stark auswirken.

Man kann sagen, daß die Konzentrationsänderungen die eigentliche Ursache der elektrischen Reizwirkung sind. Der Grad der Konzentrationsänderungen wiederum hängt von der Ladungsmenge Q ab, die sich aus der Stromstärke I und der Dauer der Anwendung t ergibt.

Die Gleichung: Q = I x t veranschaulicht diesen Zusammenhang.

4. Welche Stromstärken sind nötig?

In der Regel betragen die maximalen Stromstärken, die bei der Elektrostrombehandlung angewandt werden, etwa 1 Tausendstel Ampere, da dieser Strom noch als angenehm empfunden wird und keine Schmerzen hervorruft. Man konnte feststellen, daß für eine deutliche Wirkung bei diesen Stromstärken Behandlungen von ca. 15 Minuten Dauer alle zwei Tage optimal sind. In den Bäderabteilungen wird deshalb nach diesem Behandlungsschema verfahren.

Solange der Behandlungsstrom nur in der Bäderabteilung zu haben war und die Anwendung stets einen Zeitverlust für den Patienten darstellte, spielte die Dauer der Anwendung eine große Rolle. Die relativ kurzen Behandlungszeiten wurden aber durch den Einsatz einer für biologische Systeme viel zu hohen Stromstärke erkauft. Denn schaut man sich dagegen die im Körper selbst erzeugten Ströme und die oben genannte Gleichung genauer an, so ist eine Anwendung sehr viel kleinerer Ströme über längere Zeit sehr viel effektiver und natürlicher.

Und noch einen Nachteil hat die Kurzzeitbehandlung mit großen Strömen und großen Pausen gegenüber der sanften Langzeitbehandlung. Die in den 15 Minuten erzeugten Konzentrationsänderungen der verschiedenen Ionen im Gewebe beginnen sich schon nach Beendigung der Behandlung wieder auszugleichen.

Dagegen setzt ein kleiner Strom über längere Zeit zwar einen kleineren Reiz, dafür aber einen Dauerreiz im Gewebe.

5. Die Geschichte der Elektrostrombehandlung

Schon lange vor der Entwicklung der medikamentösen Schmerzbehandlung im vorigen Jahrhundert wurden elektrische Reize zur Beseitigung von Schmerzen eingesetzt. Scribonius Largus berichtete 47 n.Chr. über die Schmerzbehandlung einer Arthritis (Gelenkentzündung) mit einem Zitterrochen. Diese Tiere, wozu auch der Zitteraal gehört, sind durch umfunktionierte Muskelfasern in der Lage, hohe Spannungen zu erzeugen.

Heute weiß man, daß das zwischen ihrem Kopf und Schwanz aufgebaute elektrische Feld die Beutefische entlang den Feldlinien wie durch eine magische Kraft in Richtung Maul treibt. Abbildung 2 zeigt dieses Feld. Diese Schöpfung der Natur hat sich der Mensch in Form der Elektrofischerei zunutze gemacht.

Abbildung 2

Auch Claudius Galen (129-199 n.Chr.), griechischer Arzt aus Pergamon, dessen Lehre länger als ein Jahrtausend zur Grundlage des ärztlichen Denkens und Handelns werden sollte, verwendete elektrische Fische zur Kopfschmerzbehandlung. Durch die problematische Handhabung der Elektrizität, die zunächst nur durch elektrisch aktive Lebewesen (ein Zitteraal kann Spannungen von 700 Volt entwickeln) erzeugt werden konnte, gab es lange keine Fortschritte auf diesem Gebiet.

Luigi Galvani (1737-1798), Anatom und Physiologe aus Bologna, erforschte die tierische Elektrizität eingehender und konstruierte eine Elektrisiermaschine zur elektrischen Behandlung des Gichtschmerzes. Die Entwicklung solcher elektrostatischen Generatoren ermöglichte genauere Untersuchungen des tierischen Gewebes und seiner elektromotorischen Eigenschaften. Galvani hatte die Zuckungen des Froschmuskels bei Reizung mit elektrischem Strom beobachtet. Folgende historische Entdeckungsgeschichte ist überliefert worden:

Galvani hatte Froschschenkel an Kupferdrähten befestigt und diese an seinem Fensterbrett, welches aus Zinkblech bestand, aufgehängt. Durch einen Zufall beobachtete er, wie sich die Froschschenkel in dem Moment mit einer zuckenden Bewegung zusammenzogen, wenn sie angetrieben vom Wind das Zinkblech berührten. So wurde die Wirkung des elektrischen Stromes auf lebendes Gewebe wiederentdeckt. Abbildung 3 zeigt diese Anordnung.

Abbildung 3

Die auch heute noch genutzte Bezeichnung "Galvanisation" für die Elektrostrombehandlung mit einem konstanten Gleichstrom geht auf Alexander v. Humboldt zurück und wurde von ihm zu Ehren von LUIGI GALVANI eingeführt. Bis zum Anfang unseres Jahrhunderts wurde der galvanische Strom ausschließlich durch galvanische Elemente (Batterien) erzeugt. Heute bietet ihn auch jedes moderne Reizstromgerät mit Netzanschluß an.

In den 50er Jahren wurden vermehrt Arbeiten über die physikalische Behandlung mit konstanten Gleichströmen veröffentlicht. Eine hervorragende Wirksamkeit auf Nerven, Muskeln und Blutgefäße wurden nachgewiesen. Da die Einzelanwendungen wegen der großen Geräte aber in der Regel nicht über 15-20 Minuten hinaus verlängert werden konnten, waren Stromstärken von etwa 1 Tausendstel Ampere (1 mA) nötig, die immer wieder zu Säure- bzw. Basenverätzungen führten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bot die Möglichkeit, den Gleichstrom bei im wesentlichen unveränderter Stromstärke ein- und auszuschalten. Der Rechteckstrom als einfachste Reizstromform war entstanden. Dadurch verschwanden einerseits die lästigen Hautschäden, andererseits konnte die Wirksamkeit noch erhöht werden. Im Laufe der Zeit fand man dann immer wieder neue, kompliziertere und wirkungsvollere Stromformen. Für diese Therapieströme waren immer kompliziertere Geräte notwendig, mit denen heute nur noch wenige Ärzte umgehen können.

6. Die Einteilung der Elektrotherapie

Zunächst teilen wir die Elektrotherapie nach den genutzten Frequenzen ein. So gibt es die Elektrotherapie im Niederfrequenzbereich (NF) von 0-1000Hz (Schwingungen/Sekunde). Hier unterscheiden wir die stabile Galvanisation mit der Frequenz = Null und ihrer Spezialanwendung als Iontophorese von der Reizstromtherapie mit Frequenzen > Null.

Außerdem kommen die Mittelfrequenzströme (MF) von 1 000 -100 000 Hz als Überlagerungsströme und die Hochfrequenzströme (HF), wie die bekannte Kurzwelle, zur Anwendung.

Weil auch das Licht eine elektromagnetische Welle darstellt, handelt es sich eigentlich auch bei der Lichttherapie um eine Hochfrequenztherapie. Die Lichtfrequenzen liegen jenseits von 1012 Hz (rote Farbe). Und das Licht ist noch sichtbar, wenn man an diese Zahl weitere 4 Nullen (=5x1016Hz / violette Farbe) anhängt.

6.1. Näheres zur Niederfrequenztherapie

6.1.1. Die stabile Galvanisation

Eine besondere Rolle spielt der konstante Gleichstrom mit der Frequenz "Null", der als stabile bzw. konstante Galvanisation und als Iontophorese angewendet wird. Wegen der guten Wirkung der stabilen Galvanisation bei vergleichsweise einfacher Erzeugung und Anwendung werden wir auf diese Behandlungsmethode später noch genauer eingehen.

6.1.2. Die Iontophorese

Als Iontophorese bezeichnen wir ein Therapieverfahren, mit dem man mittels des galvanischen Stromes (Gleichstrom) Arzneien durch die intakte Haut unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes und des Atemtraktes in den Körper einschleusen kann. Abbildung 4 zeigt den Kaninchen-Versuch nach Leduk aus dem Jahre 1907, der die Wirkung der Iontophorese sehr gut illustriert:

Abbildung 4

Durch den Gleichstrom werden nur Stoffe mit einer elektrischen Ladung (hier z.B. positiv: Na+ oder Strychnin+ bzw. negativ: Cl- oder Salicylsäure-) verstärkt durch die Haut in den Körper gebracht.

Während jedes Kaninchen je eine Kochsalz (NaCl)- und eine Strychnin+(S)-Elektrode an seinem Körper angebracht bekommt, zeigt nur das linke Kaninchen mit der am +Pol der Spannungsquelle angeschlossenen Strychnin+(S)-Elektrode Vergiftungserscheinungen. Der Grund ist die positive Ladung des Strychnin+-Moleküls.

Da sich gleiche Ladungen abstoßen, wird das Strychnin+ vom +Pol der Spannungsquelle in den linken Tierkörper gedrückt und vom -Pol in den linken Tierkörper gezogen. Durch die gleichen elektrischen Kräfte werden die Strychnin+-Moleküle an der -Elektrode des rechten Kaninchens festgehalten und können ihm so keinen Schaden zufügen.

Gegensätze ziehen sich bekanntlich an

Auf diesem Weg lassen sich verschiedene Medikamente in den Körper bringen, die sich nach Passage der Haut über das Blutgefäßsystem gleichmäßig im Körper verteilen. Größer ist jedoch die Bedeutung bei der lokalen Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen der Haut, Muskeln und Sehnen. Die Wirkstoffe von beispielsweise Rheumasalben wandern im elektrischen Feld besser durch die Haut zu den Muskeln, Sehnen und Gelenke. Das bekannte Diclofenac (z.B. VoltarenÒ ) gehört als Salbe unter die (-)Elektrode. Abbildung 5 illustriert diese spezielle Anwendung der Elektrotherapie.

Abbildung 5

6.1.3. Der Reiz- bzw. Impulsstrom

Die dritte Gruppe innerhalb der Niederfrequenztherapie bildet die Reizstrombehandlung mit Frequenzen von größer 0Hz bis zu 1000Hz, auch Impulsströme genannt. Die praktisch genutzten Frequenzen liegen allerdings unter 100Hz. Obwohl der konstant fließende Gleichstrom auch einen Reiz auf die erregbaren Zellen ausübt, spricht man vom Reizstrom im engeren Sinne erst dann, wenn der Strom in Einzelimpulsen oder in Impulsserien zur Anwendung kommt.

Der Nachteil des konstanten Gleichstromes war stets, daß bei den auch heute noch allgemein üblichen Stromstärken von 1 Tausendstel Ampere auch bei sorgfältigster Unterpolsterung der Hautelektroden Säure-Basen-Verätzungen der Haut oft nicht zu vermeiden sind.

So konnte beobachtet werden, daß dieser negative Effekt verschwand, wenn man den Gleichstrom mit einem Unterbrecher aus- und einschaltete und so einen Rechteckstrom erzeugte. Die einfachste Art eines Reizstroms war gefunden. Seit den 50er Jahren wurden dann immer wieder neue und wirksamere Reizstromformen entwickelt.

Für den Reizeffekt spielt neben der Stromstärke auch die Stromform und Frequenz eine Rolle. Abbildung 6 zeigt einige Beispiele. Eine Bedeutung haben heute noch der Ultra-Reizstrom nach Träbert (Rechteckstrom) und die Diadynamischen Ströme nach Bernard.

Abbildung 6

7. Die lokalen Anwendungsmöglichkeiten des Stroms

Im Prinzip sind sie für alle Stromarten gleich und beschreiben die räumliche Beziehung der Elektroden zum speziellen Gewebe, das durchflossen und elektrisch beeinflußt werden soll.

a) Schmerzpunktanwendung:

Für die Behandlung umschriebener Schmerzpunkte wird die Kathode (auch die Kupfer-Elek- trode des Galvanischen Heilpflasters) direkt auf dem Schmerzpunkt und die An- ode (entspricht der Aluminium-Elektrode) daneben angebracht.

b) Nervenstammanwendung:

Bei betroffenen Nerven in den Armen oder Beinen soll der Strom längs durch diese hin- durchfließen, die Anode liegt näher am Körper, die Kathode näher zur Hand oder zum Fuß.

c) Anwendung neben der Wirbelsäule:

Die Nervenwurzeln, deren Reizung zu schmerzhaften muskulären Verspannungen (Rücken- schmerzen) führt, werden längs auf der Wirbelsäule oder bei einseitigen Schmerzen direkt daneben (Anode kopfwärts, Kathode unten) behandelt.

d) Anwendung bei Durchblutungsstörungen:

Vorgehen wie bei der Nervenstammanwendung

e) Durchflußanwendung:

Bei der Behandlung größerer Gelenke werden die Elektroden beiderseits des erkrankten Ge- lenkes angebracht, so daß eine Querdurchströmung möglich ist. Auf den Punkt des größeren Schmerzes sollte die Kathode (Kupfer) geklebt werden.

Die aufgeführten Beispiele dienen nur der groben Orientierung. Deshalb sollten am Patienten zunächst die funktionell gestörten Regionen untersucht und dann die für den speziellen Fall beste Elektrodenanordnung gesucht werden. Der Autor konnte bei der Behandlung mit dem Galvanischen Heilpflaster immer wieder feststellen, daß gerade der Patient oft am besten sagen kann, welche Elektrodenanordnung für ihn optimal ist.

8. Die modernen TENS-Geräte

Einen großen Entwicklungssprung bei der Anwendung des elektrischen Stromes brachte die Einführung der sog. TENS-Geräte (Transkutane elektrische Nervenstimulation steht für Nervenreizung durch die Haut). Diese relativ kleinen Reizstromgeräte waren auf der Grundlage modernster elektronischer Technologien möglich geworden. Sie haben die Größe einer Zigarettenschachtel und werden längere Zeit am Körper getragen. Dabei sind die Stromformen, die die TENS-Geräte liefern, nicht neu. Es handelt sich um einfache Reizströme, die teilweise schon in den 50er Jahren bekannt waren (z.B. Rechteckstrom).

Die Anwendung der TENS-Geräte ist nicht ohne Risiken. Es gehört viel Erfahrung dazu, wenn man sie richtig anwenden will. Eine falsche Einstellung der Stromart, der Stromstärke und/oder der Impulsfrequenz können gegenteilige Effekte (z.B. zunehmende Muskelverhärtungen) zur Folge haben.

9. Die sogenannte Elektroakupunktur

Nach der Lehre der klassischen chinesischen Akupunktur läßt sich ein krankhafter Zustand durch den Energiezustand der Akupunkturpunkte nachweisen. Durch spezielle Techniken werden Punkte mit verminderter Energie stimuliert und Punkte mit einem Energieüberfluß gedämpft. Schon lange ist bekannt, daß es mehrere Möglichkeiten gibt, die Akupunkturpunkte zu reizen. Sie wurden ursprünglich mit Nadeln und Wärmeeinwirkung, der sogenannten Moxibustion, behandelt. Möglich ist aber auch die Massage in Form von Akupressur. Diese ist in China weit verbreitet und wird in den Schulen gelehrt. Dagegen ist an den chinesischen Universitäten das Nadeln Pflichtfach für alle Medizinstudenten.

Der Sarg des chinesischen Prinzen Ching von Chungsan, der im 2. Jh. v.Chr. beigesetzt wurde, enthielt Akupunkturnadeln aus Gold und Silber. Gold und Silber sind zwei verschieden edle Metalle, denen auch eine unterschiedliche Wirkung zugesprochen wird. Noch heute wird die klassische chinesische Akupunktur mit Gold- und Silbernadeln durchgeführt. Der Punkt, der Energieleere aufweist, ist der sogenannte "Goldpunkt" und wird mit der Goldnadel stimuliert. Der Silberpunkt mit Energie(über)fülle wird mit der Silbernadel gedämpft. Das Ziel ist stets der Energieausgleich zwischen zwei Polen.

Der einfachste elektrische Strom, der konstante Gleichstrom oder Galvanische Strom ist ein ebenso polares Phänomen wie die beiden Energiezustände, in denen sich krankhafte Akupunkturpunkte befinden können. Auch die Pole einer Batterie weisen einerseits einen Ladungsüberschuß (-Pol) und andererseits einen Ladungsmangel (+Pol) auf. Was liegt näher, als daß man den -Pol mit seinem Ladungsüberschuß auf den Akupunkturpunkt mit Energieleere aufbringt und so fehlende Energie zuführt. Genauso kann der +Pol mit seinem Ladungsmangel der Ableitung des Energieüberflusses vom Akupunkturpunkt mit Energiefülle dienen.

1825 veröffentlichte der Franzose J.B. Salandiere in Paris sein Werk über die Elektroakupunktur mit dem Titel "Memoires sur l' electropuncture". Er verwendete konstante Gleichströme und konnte eine Senkung der Erregbarkeit unter dem +Pol feststellen, während es zu einer Erregbarkeitssteigerung unter dem -Pol kam.

In jüngster Zeit wurden für die Elektroakupunktur allerdings die gleichen "Reiz"ströme eingesetzt, die auch in der Elektrotherapie vorherrschen. Unter Verwendung der modernen TENS-Geräte wurde ein neues Verfahren der Elektroakupunktur entwickelt, das die Bezeichnung Aku-TENS erhielt.

10. Ausblick auf eine mögliche zukünftige Entwicklung der Elektrotherapie

Bei allem Nutzen, den uns viele moderne Technologien gebracht haben, hat sich schon oft gezeigt, daß gerade das Einfache das Beste sein kann. Was die Natur betrifft, so hat die Entwicklung der Lebewesen viele verblüffend einfache und doch wirkungsvolle Lösungen hervorgebracht. Man sagt: "Viel hilft nicht immer viel". Man sagt aber auch: "Steter Tropfen höhlt den Stein". Die Wirksamkeit liegt oft in der Kontinuität.

In Bezug auf die Elektrotherapie ist anerkannt, daß die Strommenge Q, die während der Behandlung durch den Körper fließt, die Reizstärke bestimmt. Die Strommenge wiederum errechnet sich aus der Stromstärke I und der Flußdauer t. Die Gleichung

Q = I x t

veranschaulicht diesen Zusammenhang. Wenn man also die Stärke des Stromes reduziert, muß entsprechend die Dauer seines Flusses verlängert werden, soll die gleiche Wirkung erzielt werden.

Es müßte eine wirksame Elektrostrombehandlung mit sehr viel kleineren als den bisher üblichen Strömen möglich sein, wenn man die Behandlungszeit nur lange genug ausdehnt. Die Stromstärken müßten so gering sein, daß keine relevanten Säure-Basen-Mengen mehr entstehen können. Dazu wären natürlich Anordnungen nötig, die der Patient ungestört über mehrere Tage anwenden kann.

In diesem Zusammenhang sei an die Arndt-Schulz-Regel erinnert:

hohe Dosen zerstören

mittlere Dosen blockieren

niedrige Dosen stimulieren

Eine wirkungsvolle Elektrostrombehandlung mit kleinsten Strömen, wie sie vom Körper selbst erzeugt werden, über einen entsprechend längeren Zeitraum wäre eine Behandlung im biologischen Optimum. Solche Ströme wären der Natur am nächsten und für den Organismus am verträglichsten.

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Copyright Dr. med. Mario Bergner, Memmingen